Samstag, 10. Juni 2017

ICO: Castle in the Mist - Special

Hallo werte Leser,

wie wahrscheinlich jeder Gamer habt auch ihr ein Spiel, das euch eine ganze Menge bedeutet. Ein Spiel, von dem man denkt: „Das ist mein Spiel!“ Ein Spiel, dass eine ganz besondere Erfahrung war, die sich auf ewig in eurem Kopf festgebrannt hat. Für mich gibt es da ein Spiel, dem diese Beschreibung ins Gesicht geschrieben steht. Mein absolutes Lieblingsspiel, der PS2-Klassiker ICO, über den ich auch schon das ein oder andere Mal auf meinem Blog geschrieben habe. ICO hat meinen Spielgeschmack nachfristig beeinflusst und nach wie vor würde ich es als die beste Erfahrung bezeichnen, die ich jemals mit einem Videospiel gemacht habe. Aufgrund dessen bin ich auch natürlich an allem interessiert, was das Spiel umgibt. Trailer, den Soundtrack, Merchandise und Fan-Theorien sind allerlei Sachen, nach denen ich mich umgeschaut und ein Auge drauf geworfen habe. Und es gibt da einen Gegenstand, der aus dieser Masse von Dingen, welche das Spiel umgeben, heraussticht. Wie das Spiel selbst habe ich nur zufällig davon erfahren. Es geschah vor einigen Jahren, als ich meiner Schwester ICO gezeigt habe. Sie wurde von meinen ständigen Lobeshymnen über das Spiel neugierig und wollte deswegen selbst mal Hand anlegen. Sie spielte also das Spiel und befand es für ziemlich gut, doch dann fragte sie mich: “Gibt es das Spiel auch als Buch?“

Ihrer Meinung nach könnte sie sich das Spiel viel besser als Buch vorstellen. Ich wusste nichts von einem Buch und konnte mir auch nicht vorstellen, dass einem so unbekannten Spiel ein Buch gewidmet ist. Nichtsdestotrotz begann meine Schwester eine kleine Recherche und schon nach kurzer Zeit informierte sie mich darüber, etwas über ein Buch namens ICO: Castle in the Mist gelesen zu haben. Zunächst dachte ich, sie hätte sich verlesen und das gleichnamige Lied aus dem Soundtrack gefunden. Doch als sie mir dann die Seite im Internet zeigte, musste ich nur noch staunen, dass es zu meinem Lieblingsspiel ICO tatsächlich eine Romanfassung gibt, die sich ICO: Castle in the Mist nennt.

Und dieses Buch möchte ich euch heute im Rahmen dieses kleinen Specials näherbringen.
Geschrieben wurde der Roman von Miyuki Miyabe, einer in Japan sehr populären Autorin, die Bücher bereits in den verschiedensten Genres geschrieben hat. Der ein oder andere hat vielleicht schon mal von ihr gehört, denn sie ist auch die Autorin des Fantasy-Romans Brave Story, welcher die Grundlage für einen Animefilm und einem ganzen Videospiel-Franchise bildet. Doch noch vor Brave Story arbeitete sie an diesem Roman. Ursprünglich schrieb sie die Geschichte für das japanische Magazin Shūkan Gendai. Dort wurde das Buch Stück für Stück von Mai 2002 bis Mai 2003 veröffentlicht, also schon ziemlich kurz nach der Veröffentlichung des Spiels in Japan am 6. Dezember 2001. 2004 kam dann die Geschichte als eigenständiges Buch in den Handel und erhielt 2008 eine Neuauflage mit einem neuen Cover-Artwork. Doch den westlichen ICO-Fans blieb dieses Buch leider verborgen. Der Roman wurde nur in Japan veröffentlicht und da ICO im Westen nicht unbedingt ein erfolgreiches Spiel war, schien eine Übersetzung des Buches unwahrscheinlich. Doch glücklicherweise kam alles anders als der Publisher Viz Media 2011 bekannt gab, das Buch in den Westen zu bringen. So erschien am 16. August ICO: Kiri no Shiro unter dem englischen Namen ICO: Castle in the Mist in Nordamerika, übersetzt von Alexander O. Smith.

Das Buch ist in vier Kapitel sowie einen kurzen Epilog eingeteilt. Dabei folgt die Geschichte allerdings nicht haargenau dem Plot aus dem Spiel. Wie Miyabe im Vorwort erwähnt, soll dieses Buch keinen Guide darstellen. Vielmehr wollte sie mit diesem Buch erklären, wie sie die sehr offene Handlung von ICO interpretiert hat. Daher startet das Buch auch vor den eigentlichen Ereignissen des Spiels in Icos fiktionalen Heimatdorf Toksa. Hier wird zunächst erst mal eine Welt aufgebaut, die weit über das hinausgeht, was man nach seinem ersten Playthrough erwartet hätte. Es werden zahlreiche neue Orte und Charaktere wie der Dorfälteste und Icos bester Freund Toto eingeführt. Zudem wird Icos Fluch, der für das Wachstum seiner Hörner verantwortlich ist, sehr stark in den Mittelpunkt gesetzt. Im Spiel kommt dieser eher wie ein ungewöhnliches Einzelschicksal daher, doch im Roman hat der Fluch weitaus größere Auswirkungen. Der Fluch steht mit einer großen Ansammlung an unterschiedlichen Bräuchen in Verbindung, die als Vorbereitung für die Abreise des verfluchten Kindes zum Schloss dienen, welches im Roman stets als das Schloss im Nebel bezeichnet wird.

Nach dieser Einleitung setzt das Buch beim eigentlichen Beginn des Spiels an. Ico kommt also im Schloss an und wird in einem versteinerten Sarkophag eingeschlossen. Er schafft es sich aus diesem zu befreien, ist eine Weile durch das Schloss unterwegs und trifft dann auf Yorda. Er befreit sie auf ihrem eisernen Käfig und ist mit ihr durch das Schloss unterwegs, wo er recht schnell auf Schattenmonster trifft, welche es auf Yorda abgesehen haben. Ico jedoch möchte seine neue Begleiterin nicht einfach so aufgeben und bekämpft die Wesen. Doch zu seiner Überraschung scheinen diese Wesen mit ihm zu kommunizieren und versuchen ihn davon zu überzeugen, vom Mädchen abzulassen. Darauf lässt er sich jedoch nicht ein, beschützt sie und ist weiter mit ihr durch das Schloss unterwegs, bis er vor den Eingangstoren auf die Königin des Schlosses trifft.
Im nächsten Kapitel rückt nun Yorda in den Vordergrund. Es wird ihre Geschichte erzählt, also wie sie das Treffen mit Ico erlebt hat und was ihr dabei durch den Kopf ging. Später wird aus ihrer Vergangenheit berichtet. Man erfährt dadurch wie sie an ihre magischen Fähigkeiten gekommen ist und wie das einst glorreiche Schloss, in dem sie aufgewachsen ist, als eine Opferstelle für verfluchte Kinder im dichten Nebel versunken ist. Im letzten Kapitel schließt das Buch wieder an der Handlung des Spiels an, verläuft allerdings ein wenig anders, als man es aus dem Spiel kennt.

Allzu viel möchte ich eigentlich gar nicht vom Inhalt des Buches verraten, denn wie beim Spiel sollte jeder selbst das Buch anfassen und seine eigene persönliche Erfahrung damit machen. Ich glaube kaum, dass es jemanden enttäuschen wird. Es ist vollgestopft mit interessanten Informationen und Spekulationen, die alle Miyuki Miyabes Fantasie entsprungen sind. Das Buch ist also nicht Kanon, fühlt sich aber so an. Die Autorin hat es perfekt geschafft, die Atmosphäre des Spiels einzufangen und zu verschriftlichen. Besonders gut ist ihr das meiner Meinung nach bei der Rahmenhandlung gelungen. Das Schloss oder generell das Spiel selbst gibt nicht viel über die Welt preis, in der man sich wiederfindet. Miyabe hat jedoch aus den wenigen Infos eine Menge rausgeholt und eine Welt erschaffen, die so glaubwürdig wirkt, dass man sie sofort als offiziellen Teil der Geschichte akzeptieren kann. Lobenswert ist auch der Detailgrad, den die Autorin ans Tageslicht bringt. Kenner des Spiels werden bemerken, dass sie sich sehr intensiv mit dem Spiel beschäftigt und die Handlungen, Mimik und Gestik der Charaktere genau unter die Lupe genommen hat. Dadurch war es Miyabe möglich, die Absichten und Empfindungen der Charaktere genau zu beschreiben und zu erklären. Ein gutes Beispiel dafür ist Icos Opferung. Schon im Spiel wird deutlich, dass Ico nicht einfach geopfert werden möchte, schließlich versucht er ja mit aller Macht aus seinem Sarkophag zu entkommen. Doch wenn dem so ist, warum hat er dann nicht schon vorher versucht, sich aus seiner misslichen Lage zu befreien? Eine sehr überzeugende Antwort findet sich im Buch wieder. Miyabe hat sich auch mit weiteren Geheimnissen auseinandergesetzt, die seither viel Raum zur Interpretation ließen. Etwa was es mit der Statue des gehörnten Mannes oder den mysteriösen Kräften auf sich hat, die sowohl Yorda als auch dem Schwert der Königin innewohnen.

Allerdings ist nicht alles perfekt. Denn auch wenn es Miyabe geschafft hat, die Atmosphäre des Spiels und sogar die Ehrfurcht vor den Schattenmonstern und der Königin selbst einzufangen, so fühlt sich das Buch trotzdem nicht immer wie das Spiel an. Die Autorin wollte mit dem Buch ihre Sicht auf die Ereignisse aus dem Spiel darlegen, weshalb sich die Geschichte in sehr vielen Erklärungen und Hintergründen verwickelt, welche teilweise gar nicht mehr viel mit dem Spiel gemein haben. Das ist zwar alles sehr interessant, aber es ist trotzdem ein komisches Gefühl, wenn man das vertraute Spielgefühl von ICO auf eine ganz andere Art und Weise wiedererlebt. Ebenfalls fand ich es schade, dass sehr viele Orte aus dem Schloss im Buch nicht vorkommen. Wie bereits gesagt, die Autorin wollte keinen Spieler-Guide schreiben und ich denke, dass das wohl einer der Gründe war, warum die Areale aus der zweiten Hälfte des Spiels kaum Beachtung finden oder es erst gar nicht ins Buch geschafft haben. Vielleicht ist es auch besser so, da ich mir vorstellen kann, dass sich der Roman ansonsten zu langgezogen hätte, doch trotzdem bin ich neugierig, was sich Miyabe wohl bei diesen Räumen gedacht hat.
Im Gesamtbild kann ich über darüber aber gerne hinwegsehen, denn ich muss gestehen, ich finde dieses Buch einfach schön. Man merkt, dass Miyuki Miyabe von ICO schwer beeindruckt wurde und Lust hatte, dem Spiel ein angemessenes Buch zu widmen. Dass sie sich dabei auf ihre eigenen Interpretationen gestützt und nicht einfach das Spiel nacherzählt hat, war eine gute Entscheidung. Nicht nur bekommt man durch ihre Interpretationen einen völlig neuen Eindruck von der Geschichte, sie hat damit auch den Punkt unterstrichen, durch den das Spiel so lange im Kopf bleibt. Die sehr frei interpretierbare Geschichte und der Aufruf seine eigene Fantasie zu benutzen. Das ist aber auch der Grund, warum ich den Roman nur den Leuten empfehlen würde, die das Spiel gespielt haben. Vor dem lesen sollte man sich erst mal selbst seine Gedanken zu dem Spiel machen und seine eigene Geschichte und Vermutungen aufstellen. Weiterhin fehlt im Buch auch eine Menge Content, den man nur im Spiel wiederfindet, worauf die Autorin selbst hinweist. Im Spiel gibt es also noch viel mehr zu sehen, was man hier gar nicht zu sehen bekommt. Davon abgesehen ist das Buch für jemanden ohne Kenntnisse vom Spiel wahrscheinlich auch ziemlich uninteressant, da man schon den Bezug braucht, um das Buch richtig genießen zu können.

Wer aber das Spiel gespielt hat und es mochte, sollte zugreifen, denn andernfalls verpasst ihr eine lesenswerte Interpretation, die Lust darauf macht, erneut in die Welt von ICO einzutauchen. Zum Abschluss würde ich daher gerne einen Absatz aus dem Vorwort zitieren, denn dieser ist eine sehr schöne Ansprache an die Fans des Spiels:

For those of you who have played the game and love it as much as I do, I hope you will enjoy this variation on the world of ICO as much as I have enjoyed revisiting the Castle in the Mist.“ – Miyuki Miyabe, June 2004

„Ich hoffe für diejenigen unter euch, die das Spiel gespielt haben und es genauso lieben wie ich, dass ihr diese Sicht auf die Welt von ICO genauso genießt wie ich es genossen habe, das Schloss im Nebel wieder zu besuchen.“ – Miyuki Miyabe, Juni 2004

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