Es ist einige Zeit
seit dem Black Mesa-Vorfall vergangen. Die Menschheit ist nicht mehr die
dominante Spezies auf der Erde, sondern wurden von den Combines, einer
außerirdischen Macht, nach der Niederlage im sogenannten Sieben-Stunden-Krieg
unterworfen. Die Combine setzen fortan Dr. Wallace Breen, der die Kapitulation
der Menschheit in die Wege leitete, als Verwalter für die Erde ein. Er wurde
damit quasi zum Herrscher über den Planeten, wird aber eigentlich nur von den Combines
als Marionette und Propagandainstrument verwendet. Nach einer kurzen Vision vom
G-Man, der davon spricht, dass man wieder gebraucht wird, erwacht Gordon
Freeman in einem Zug Richtung City 17, einer der letzten großen Städte auf der
Erde. Dort trifft er auf einige bekannte Gesichter aus Black Mesa wie Barney
Calhoun oder Dr. Kleiner. Sie sind Mitglieder des Widerstandes der gegen die
Combine rebelliert. Auch Gordon schließt sich dem Widerstand an und trifft auf
weitere hohe Widerstandsmitglieder wie dem ehemaligen Black
Mesa-Wissenschaftler Eli Vance und seine Tochter Alyx. Da Gordon durch seine
Taten beim Black Mesa-Vorfall einen gewissen Bekanntheitsstatus genießt, nimmt
er schnell eine wichtige Position im Widerstand ein und unterstützt ihn auf verschiedenen
Missionen gegen die Unterdrücker.
Es ist sehr auffällig,
dass die Story nicht direkt einem roten Faden folgt. Es ist klar, dass es das
große Ziel des Widerstandes ist, die Combine zu besiegen, doch als Spieler wird
man nicht Teil eines großen Masterplans, an dessen Ausführung man sich
beteiligt. Stattdessen wird man eher notgedrungen von A nach B geschickt und
übernimmt später wichtige Aufgaben für die Rebellion, die aber nicht wirklich
mit dem großen Ziel zu tun haben. Die Geschichte bleibt darüber hinaus ziemlich
offen erzählt. Man erfährt so ziemlich nichts über die Welt. Man weiß nicht,
wie viele Jahre seit den Ereignissen des Vorgängers vergangen sind, man erhält
keine Informationen darüber, warum die Vortigaunts plötzlich Verbündete sind,
obwohl man sie im ersten Teil noch bekämpft hat und was die Combines eigentlich
genau sind, bleibt auch ein Geheimnis. Ein paar Einzelheiten kann man sich zwar
erschließen, im Großen und Ganzen bleibt die Hintergrundgeschichte allerdings
ein Geheimnis.
Am Anfang macht dieser
Umstand es dem Spieler schwer zu verstehen, worum es eigentlich geht. Doch mit
der Zeit gewöhnt man sich an die Situation und denkt sich seine eigenen
Erklärungen aus, um der Geschichte Sinn zu verleihen. Das ist ein Punkt, den
ich an so offen erzählten Geschichten mag. Man muss nicht alles erklärt
bekommen. Selber nachzudenken und sich etwas auszumalen kann auch sehr spannend
sein, zumindest sofern man genug Informationen für eine Grundlage bekommt. Diese
Informationen liefert Half-Life 2
nach und nach, so dass man irgendwann keine Probleme mehr mit der Geschichte
hat.
Gameplay:
Im Vergleich zum
Vorgänger hat sich Half-Life 2 spürbar
verändert, obwohl das grundsätzliche Gameplay gleichgeblieben ist. Wie auch
schon der erste Teil ist Half-Life 2
ein recht linearer Shooter, der jedoch trotzdem Wert auf das Erkunden der
Levels legt, da es viele kleine versteckte Ecken gibt, in denen man Geheimnisse
finden kann. Um ein bisschen Abwechslung von den Ballereien zu haben, muss der
Spieler immer mal wieder kleinere Rätsel und Geschicklichkeitsaufgaben lösen,
welche das Gameplay ein wenig auflockern. Auch ein paar Bossfights stehen auf
dem Plan. Weiterhin setzt das Spiel wieder auf klassische Medipacks und den
Hazardous Environment-Schutzanzug, welche die Lebensanzeige des Spielers füllen
und ihn vor Schäden bewahren. Nichtsdestotrotz spielt sich Half-Life 2 deutlich besser als der erste Teil. Das liegt vor allem
an dem verbesserten Spieltempo, der spaßigen und gut ins Spiel eingebundenen
Physik-Engine sowie einigen kleinen aber feinen Optimierungen.
Das Spieltempo wird
vor allem über die neue Energieleiste geregelt. Diese wird kleiner, wenn Gordon
bestimmte Aktionen ausführt. Dazu zählen Dinge wie sprinten, tauchen oder die
Taschenlampe des Schutzanzuges verwenden. Also im Prinzip alles was irgendeine
Form von Energie benötigt. Da all diese Aktionen von derselben Energieleiste
ihren Saft beziehen, sinkt sie dementsprechend auch schneller, wenn man mehrere
davon gleichzeitig ausführt. Die Energieleiste ist eine unscheinbare aber
trotzdem sinnvolle Verbesserung gegenüber dem Vorgänger. Sie bringt ein
bisschen mehr Ressourcenmanagement ins Spiel ohne den Spieler dabei auszubremsen.
Zudem kann man durch sie das Spieltempo viel besser regulieren, da man nicht
immer full speed durch das Level düst, sondern es nur dann tut, wenn man das
möchte. Gerade die Geschicklichkeitsaufgaben können davon profitieren.
Die Physik-Engine
zeigt ihre Stärken an vielen verschiedenen Stellen. So kann Gordon einige
Objekte aufnehmen und stapeln, um sich so Treppen zu bauen, die ihn zu
Geheimräumen führen. Die Physik ist auch ein entscheidendes Element bei den
Rätseln, da Half-Life 2 zum Großteil
auf Physik-Rätsel setzt. Diese nehmen allerdings einen eher untergeordneten
Anteil am Gameplay ein. Viel mehr als ein paar Wippen, die man richtig
ausrichten muss, braucht man nicht zu erwarten. Anders sieht es jedoch bei den
Gefechten aus, denn die Physik kann man auch als eine alternative Waffe
benutzen. Besonders die Barnacles, also diese an der Decke hängenden
Alien-Viecher, laden dazu ein. Einfach ein explosives Fass an deren Zunge
hängen, ein paar Mal drauf ballern und explodieren lassen. Bombig.
Das Waffenarsenal an
sich hat sich im Vergleich zum ersten Half-Life
auch ein wenig verändert. Einige Waffen wie die Maschinenpistole, die
Schrotflinte oder das Brecheisen sind wieder mit von der Partie, haben
allerdings ein neues Design spendiert bekommen. Andere Waffen wie die Hivehand oder
das Gaussgewehr haben es dagegen nicht in den Nachfolger geschafft, doch dafür
wurden sie durch andere neue Wummen sinnvoll ersetzt. Die wohl beste neue Waffe
ist definitiv die Gravity Gun. Mit ihr kann man kleine bis mittelgroße Objekte
aufnehmen und an einer anderen Stelle platzieren, wodurch sich einige
Physik-Rätsel lösen lassen. Die aufgenommenen Objekte kann man allerdings auch
in einem hohen Tempo von sich wegschleudern, wodurch sie zu tödlichen
Geschossen werden. Positiv hervorheben möchte ich hier die Art, wie Valve die
Waffe ins Spiel eingeführt hat. Da sich das Konzept der Gravity Gun sehr stark
von herkömmlichen Waffen unterscheidet, haben die Entwickler einen großen Teil
des Levels Ravenholm darauf ausgelegt, dass Spieler ihr neues Spielzeug
umfangreich testen können. So kann man sich gut mit der Waffe vertraut machen
und schnell ihren unglaublichen Nutzen feststellen. Eine weitere neue Waffe ist
das Impulsgewehr. Dabei handelt es sich um ein futuristisches Sturmgewehr,
welches zudem auch eine der stärkeren Waffen im Spiel ist. Combine-Soldaten
gehen damit schnell in die Knie, allerdings kann man auch nicht viel Munition
für das Ding mitschleppen. Alternativ kann man mit dem Impulsgewehr einen
Energieball abschießen, der einen Gegner bei Kontakt in Luft auflösen lässt. Insgesamt
hat man 11 unterschiedliche Waffen zur Verfügung. Das sind zwar weniger als
noch im Vorgänger, genug Abwechslung bieten sie aber trotzdem noch.
Zusammen mit einigen
Detailverbesserungen wie einer Zoom-Funktion spielt sich Half-Life 2 deutlich besser und runder als der erste Teil. Doch
nicht alles an dem Spiel ist perfekt. Ein großes Manko sind die neuen
Fahrzeugabschnitte, die hauptsächlich in der Mitte des Spiels angesiedelt sind.
Diese sind viel zu langatmig und es kommen schon nach kurzer Zeit
Ermüdungserscheinungen beim Spieler auf. Abgesehen davon hat sich das Spiel
aber in allen Punkten gegenüber seinem Vorgänger verbessert.
Technik:
Half-Life 2 ist von 2004, daher ist die Grafik natürlich bereits
veraltet. Genauso sieht es auch mit den Animationen aus, doch trotzdem sieht das
Spiel für sein hohes Alter immer noch akzeptabel aus. Dafür kann Half-Life 2 in anderen Bereichen glänzen,
wie zum Beispiel der bereits genannten Physik-Engine. Nahezu jedes Objekt in
der Spielwelt lässt sich aufnehmen, stapeln oder mithilfe der Gravity Gun sogar
in ein Geschoss verwandeln. Das lädt zum Herumexperimentieren ein, was auch vom
Gameplay unterstützt wird, da man an allen Ecken und Enden auf sie angewiesen
ist. Weiterhin ist die Gegner-KI nicht schlecht. Feinde gehen in Deckung,
verteilen sich und greifen nicht nur von einem Fleck aus an. Auch kleine Details, wie das Passanten bei
Gesprächen immer den Spieler angucken, sogar wenn dieser sich hin und her
bewegt, ist etwas, was man selbst heutzutage nur in wenigen Fällen zu Gesicht
bekommt. Nachgelassen hat das Spiel beim Soundtrack. Im Gegensatz zum ersten
Teil hat Half-Life 2 keine Lieder im
Gepäck, die mir im Gedächtnis geblieben sind. Ebenso stört der Ladebildschirm
zwischen zwei Levelabschnitten, welcher auch schon im ersten Half-Life vertreten war. Die Immersion
und der Spielfluss werden immens gestört, wenn das Spiel sekundenlang stecken
bleibt, um den nächsten Teil zu laden. Wenn das ein oder zwei Mal passieren
würde, wäre das ja nicht weiter schlimm, aber da die Level sehr lang sind, vergeht
nicht eine Spielsitzung, in der man nicht davon ausgebremst wurde.
Fazit:
Damals wie heute ist Half-Life 2 ein fantastisches
Spielerlebnis. Mit Ausnahme der Fahrzeuglevel funktionieren alle
Gameplay-Mechaniken immer noch grandios und stellen den ersten Teil regelrecht
in den Schatten. Auch die Geschichte hat mir dieses Mal besser gefallen, da sie
aufgrund der vielen Unklarheiten ein größeres Interesse weckt und mit dem
offenen Ende Raum schafft, um die Geschichte um Gordon Freeman spannend
weiterzuerzählen.