Montag, 8. Mai 2017

Firewatch - Review (PC)


Story:

Der 39-jährige Henry hat eine schwere Zeit hinter sich. Nachdem er viele glückliche Jahre mit seiner Frau Julia verbringen konnte, veränderte sich sein Leben schlagartig, als man eines Tages bei ihr Alzheimer im Frühstadium diagnostizierte. Julias Zustand verschlechterte sich immer mehr und Henry beschloss sie in einem Heim unterzubringen. Er besuchte sie dort regelmäßig, doch mit der Zeit wurden seine Besuche immer seltener. Auch Julia fing allmählich an ihren Mann zu vergessen. Die gesamte Situation frustrierte Henry. Er mied immer mehr den Kontakt zu anderen Menschen und verlor den Fokus in seinem Leben. Da erblickt er eines Tages eine Stellenanzeige in der Zeitung.

Henry bewirbt sich für die Stelle und wird noch im selben Sommer zum Feuerwächter über die Region Thorofare im Shoshone National Forest. Er erhofft sich durch diese Arbeit eine kleine Auszeit aus seiner verzwickten Situation, um seine Gedanken wieder ins Reine zu bringen. Seine Vorgesetzte wird die Feuerwächterin Delilah. Sie ist ein alter Hase in dem Geschäft und überwacht die Region nördlich von Henrys Gebiet. Per Walkie-Talkie steht Delilah mit ihm in Kontakt. Sie redet mit ihm, gibt ihm Aufgaben und erklärt ihm, wie die Dinge als Feuerwächter so laufen. Die ersten Tage verlaufen recht unspektakulär. Außer ein paar Teenie-Pyromanen gibt es eigentlich keine großen Auffälligkeiten, sodass Henry größtenteils einen ruhigen Sommer im Wald verbringt.

Doch dann geschehen plötzlich merkwürdige Dinge im Shoshone National Forest. Personen verschwinden, Telefonleitungen werden durchtrennt und ein mysteriöser Zaun, der ein Großteil von Henrys Gebiet einzäunt, taucht im Wald auf. Da Henry und Delilah niemanden auf die Schnelle erreichen können, beschließen die beiden auf eigene Faust den Geheimnissen in Thorofare auf den Grund zu gehen.
Zunächst einmal muss ich den sehr ungewöhnlichen Beginn der Geschichte loben. Am Anfang sieht man nämlich noch gar nicht viel vom Spiel, sondern bekommt Texttafeln vorgezeigt, die erklären, wie Henrys Leben in den Jahren vor dem eigentlichen Beginn des Spiels verläuft. Hin und wieder muss man dabei lebensbeeinflussende Entscheidungen treffen, wie zum Beispiel ob man eine Familie gründen möchte oder man umzieht, damit Julia einem sehr guten Jobangebot nachgehen kann, was man ihr auch ausreden kann. Normalerweise bin ich es von Spielen mit solchen Entscheidungen gewohnt, dass man sie einmal macht und dann nie wieder darauf Bezug genommen wird. Anders ist es aber in Firewatch. Die Entscheidungen, welche man in diesen ersten 15 Minuten des Spiels macht, werden immer wieder thematisiert. Hat man das Richtige getan? Hätte man vielleicht nicht doch besser anders handeln sollen? Das gibt diesen Entscheidungen Gewicht und verkommen so nicht zu einem halbgaren Persönlichkeitstest, der sowieso nichts mit dem Spiel am Hut hat. Ebenfalls lobenswert ist die Erzählweise. Die Geschichte wird über die Gespräche zwischen Henry und Delilah vorangetragen, die über das gesamte Spiel mittels Walkie-Talkie miteinander kommunizieren. Wann immer etwas Interessantes passiert, kann man sich mit Delilah unterhalten, die einem neue Infos und somit die Marschroute vorgibt. Dieses einzigartige Zusammenspiel erzeugt eine besondere Dynamik, welche durch die sehr gut geschriebenen Gespräche unterstützt wird. Dem Plot an sich fehlt allerdings ein Spannungsmoment. Firewatch hat zwar einen klaren Höhepunkt, doch es fehlt dieses letzte Fünkchen Nervenkitzel, welche das Spiel braucht, damit diese auf Geheimnisse aufgebaute Geschichte richtig zünden kann. Das ist zwar Schade, dennoch weiß die Geschichte zu unterhalten.


Gameplay:

Firewatch ist in mehrere Abschnitte aufgeteilt. Ein Abschnitt entspricht dabei einem Arbeitstag in Henrys Job, bei dem man in der Regel eine Aufgabe erfüllen muss, die man von Delilah aufgetragen bekommt. Der Startpunkt ist dabei immer Henrys Wachturm. Von diesem aus muss man einen Ort in Thorofare erreichen, an dem man seine Aufgabe erfüllen soll. Zur Orientierung hat man eine Karte und einen Kompass. Der Großteil des Weges führt meistens über normale Wanderwege, doch hin und wieder wird der Marsch ein bisschen aufgelockert. So muss man auch mal an Felswänden herunterklettern oder Bäume fällen, um Brücken über kleinere Schluchten zu bilden. Hin und wieder unterhält man sich währenddessen auch mit Delilah über verschiedene Themen. Hat man seinen Bestimmungsort erreicht und seine Aufgabe erfüllt, muss man ihr den Erfolg melden. Sie gibt dem Spieler dann weitere Anweisungen oder beendet den Tag, wenn sonst nichts mehr zu erfüllen ist. Dadurch wird der nächste Spielabschnitt freigeschaltet.
Die Region Thorofare stellt an sich eine Open-World dar. Theoretisch kann man also jeden Winkel der Karte erforschen und muss nicht einer vorgegebenen Route folgen, um zu seinem Ziel zu kommen. Das Problem dabei ist aber, dass man abseits von dünnen Pfaden entlang von Schluchten oder durch Täler und Canyons nicht viel von der Karte erforschen kann. Die Open World ähnelt daher mehr einem Spinnennetz, an dessen Fäden man durch die Welt reist. Alles was dazwischen liegt ist für den Spieler nicht erreichbar. Daraus ergeben sich einige Vor- und Nachteile. Klar ersichtlich ist der Fakt, dass das Spiel viel weniger Spielraum zum Erkunden bietet, da man sich nur über vorgegebene, schmale Pfade von A nach B bewegen kann. Andererseits bietet dieser Hybrid aus Open-World und Levelschläuchen den Vorteil, dass man immer noch einen gewissen Grad an Erkundungsfreiheit bekommt, während gleichzeitig eine gute Geschichte erzählt werden kann. Das kommt den Spiel in diesem Falle zu Gute, da der Plot nicht ausgebremst wird und trotzdem die Illusion aufrechterhalten werden kann, dass man gerade in einem großen Nationalforst unterwegs ist.
Abseits von Delilahs Aufgabenliste gibt es noch ein paar kleinere Nebenbeschäftigungen, denen man nach Lust und Laune nachgehen kann. Darunter fällt zum Beispiel die Fotografie. Relativ früh im Spiel findet man eine Kamera, mit der man nach Belieben Screenshots vom Spielgeschehen aufnehmen kann. Dieses Spielelement hat eigentlich keinen Zweck im normalen Gameplay, doch trotzdem lohnt sich die Kamera dazu um optisch schön gestaltete Areale in Thorofare bildlich festzuhalten. Seine Screenshots kann man dann im Internet hochladen und ausdrucken lassen. Das ist zwar eine nette Idee, die wohl vor allem einige Nostalgiker ansprechen wird, doch heutzutage ist so eine Funktion eher irrelevant, da man mittlerweile mit so ziemlich jeder Plattform Screenshots erstellen und abspeichern kann.  


Technik:

Technisch gibt es nicht viel zu beanstanden. Durch den Cel Shading-Look sieht die Grafik selbst auf den niedrigsten Grafikeinstellungen immer noch passabel aus. Die Dialoge sind wie bereits angesprochen sehr gut geschrieben und wurden ideal vertont, sodass beide Charaktere authentisch und glaubwürdig wirken. Der Soundtrack ist eher unauffällig. Musik kommt vor allem in ruhigen Passagen zum Vorschein, um die friedliche Stimmung im Shoshone National Forest zu unterstreichen.
Optimal ist allerdings auch nicht alles. Die Standard-Tastenbelegung ist zum Beispiel sehr ungewöhnlich. Am PC ist das keine große Sache, da man in so ziemlich jeden PC-Spiel die Tastenbelegung verändern kann, aber auch hier hatte ich das Problem, dass Firewatch einige Tasten auf meiner Maus nicht erkannt hat. Ansonsten läuft das Spiel größtenteils reibungslos; Clipping-Fehler oder Glitches sind mir nicht aufgefallen. Nur ein einziges Mal musste ich das Spiel kurzzeitig aufgrund eines Bugs unterbrechen.


Präsentation:

Die Präsentation ist wohl die größte Stärke des Spiels. Die vorherrschende Stimmung ist dabei häufig im Wechsel und schwenkt vor allem zwischen einer ruhigen, entspannten und einer mysteriösen Atmosphäre hin und her. Die entspannte Atmosphäre wird dabei vor allem durch das sehr leichte Gameplay erzeugt. Der Spieler wird nie unter Stress gestellt eine Aufgabe zu lösen und hat zudem mit Delilah eine freundliche Gesprächspartnerin an seiner Seite, wodurch man niemals wirklich alleine ist. Die sehr schön und friedlich gestaltete Spielwelt tut dabei sein Übriges. Bereits nach kurzer Zeit fühlt man sich im Shoshone National Forest richtig zu Hause. Lobend erwähnen muss ich an dieser Stelle einen Abschnitt, der nur daraus besteht den Sonnenuntergang zu beobachten. Dieser Moment steht Sinnbildlich für die Schönheit und das friedliche Leben in der Natur und macht deutlich, warum Henry seine Arbeit immer mehr genießt.
Auf der anderen Seite präsentiert sich das Spiel aber auch oftmals sehr mysteriös. In diesen Momenten wird der Spieler in kurzer Zeit mit vielen Fragen konfrontiert, die sich nicht ohne weiteres erklären lassen. Dadurch entsteht ganz von selbst der Eindruck, dass irgendetwas nicht stimmt. Die Dosierung dieser beiden verschiedenen Stimmungen ist den Entwicklern sehr gut gelungen. Die mysteriöse Atmosphäre wird solange aufrechterhalten, bis der Spieler beginnt sich unwohl zu fühlen. Danach setzt eine Phase der Entspannung ein, um wieder einen Normalzustand zu erreichen, in dem der Spieler sich besser auf die Geheimnisse im Wald konzentrieren kann. Zu gegebener Zeit wird das Spiel dann wieder mysteriöser. Das fesselt den Spieler regelrecht vor den Bildschirm. Doch wie bereits angesprochen baut das Spiel nicht genug Spannung auf. Es gibt einen Moment im Spiel, der deutlich als der Höhepunkt der Geschichte in Erscheinung tritt. An dieser Stelle hätte das Spiel noch einen drauflegen müssen, denn aktuell endet diese Szene sehr antiklimaktisch. 
Lobend sei aber noch Delilah erwähnt. Obwohl man sie nie von Angesicht zu Angesicht trifft, baut man mit der Zeit eine freundschaftliche Beziehung zu ihr auf. Ihre humorvolle, freundliche und manchmal auch sarkastische Art ist eine willkommene Bereicherung, da man ansonsten ganz allein unterwegs ist. Sie ist der menschliche Kontakt, den Henry braucht, um in der Wildnis nicht zu vereinsamen. Aus diesem Grund wird sie auch schnell dem Spieler sympathisch.


Fazit:

Firewatch ist für jeden geeignet, der auf kleine atmosphärische Meisterwerke steht. Die Geschichte und die wunderbar aufgebaute Atmosphäre schaffen es den Spieler durchgehend an der Stange zu halten, weshalb ich es auch nahezu in einem Rutsch durchgespielt habe. Zwar hätte ich mir hier und da ein bisschen mehr erwünscht, dennoch hatte ich eine gute Zeit mit dem Spiel.

Ich vergebe 8/10 Punkten an Firewatch.