Story:
An einem ruhigen
Morgen erwacht unser namensloser Protagonist, ein kleiner Junge, in einer ihm
unbekannten Höhle. Er weiß nicht wie er dort hingekommen ist und wundert sich
über die Tattoos, die seinen gesamten Körper bedecken. Doch lange kann er
nicht darüber nachdenken, denn er bemerkt schnell, dass er nicht alleine ist.
Neben ihm liegt ein gewaltiger Trico, ein Wesen, das dafür bekannt ist, ein
Menschenfresser zu sein. Doch dieses Exemplar vor ihm scheint eine andere Geschichte
hinter sich zu haben. Nicht nur stecken einige Speere in seinem Körper, dieser
Trico trägt zudem eine Art Rüstung. Trotz der Gefahr, die von diesem Wesen
ausgeht, beschließt der Junge ihm zu helfen. Er zieht die Speere heraus, gibt
dem Tier etwas zu fressen und entfernt die schwere Rüstung von seinem Körper.
Allmählich gewöhnt
sich auch der gewaltige Trico an den Jungen, der ihn fortan begleitet und ihn
sogar auf seinen Rücken reiten lässt. Gemeinsam beginnen sie einen Ausweg aus
der Höhle zu finden, was den beiden auch schnell gelingt, nur um sich jedoch in
einem gewaltigen Tal wiederzufinden. Das Tal ist gezeichnet von Ruinen, doch
eine Struktur sticht besonders hervor. Ein gewaltiger Turm, der den Zahn der
Zeit nahezu spurlos standgehalten hat, steht direkt im Zentrum. Da dieser die
beste Chance darstellt, das Tal zu verlassen, macht sich das ungleiche Duo auf
den Weg, den Turm zu erklimmen.
Die Story ist, wie für
Team Ico typisch, sehr minimalistisch. Das heißt man erfährt nur sehr wenig und
vor allem nur das Mindeste, um die Geschichte zu verstehen, der Rest muss sich
der Spieler selbst interpretieren. Dies ist ein eher ungewöhnlicher Ansatz,
aber auch etwas, was mich schon immer an den Team Ico-Spielen begeistert und
fasziniert hat. Dadurch, dass der Spieler seine eigenen Ideen in die Geschichte
einbringen kann, formt er auch zu einem bestimmten Grad die Spielwelt nach
seinen Vorstellungen und erfährt so ein ganz persönliches Erlebnis.
Nichtsdestotrotz ist mir aufgefallen, dass sich die Entwickler sehr stark an
Fumito Uedas ersten Werk ICO
orientiert haben. Wer den PS2-Klassiker gespielt hat wird gewisse Ähnlichkeiten
in der Art feststellen, wie sich die Geschichte entwickelt und wie Trico und
der Junge allmählich eine feste Freundschaft aufbauen. Es gibt sogar noch
weitere Parallelen, auf die ich nach und nach eingehen werde.
Gameplay:
Hier zeigen sich schon
die nächsten Parallelen zu ICO. Das
Gameplay besteht im Grunde aus zwei Elementen, nämlich Kämpfen und Rätseln. Bei
den Kämpfen verwendet The Last Guardian
einen recht untypischen Ansatz. Normalerweise ist es in Videospielen der Fall,
das der Spieler bzw. sein Charakter der Held im Zelt ist und sich darum
kümmert, Gegner zu Kleinholz zu verarbeiten. Anders ist es in The Last Guardian. In diesem Spiel wird man
immer wieder mit geisterhaften Rüstungen konfrontiert, die den Jungen
verschleppen wollen. Da der Spieler selbst ein kleiner Junge ist, kann sich
dieser nicht gegen die Gestalten wehren und ist zwingend auf Trico angewiesen.
Nur er hat die Kraft, die Rüstungen entweder komplett zu zerstören oder
zumindest zu Boden zu bringen, sodass der Junge ihnen ihre Helme abziehen kann.
Dies stellt die einzige Methode dar, wie der Spieler selbst Gegner besiegen
kann. Man muss also versuchen Trico immer möglichst in seiner Nähe zu behalten,
um nicht von Rittern entführt zu werden. Trico selbst ist aber auch kein
furchtloser und unverwüstlicher Hüne. Er kann in Kämpfen verletzt werden und
wenn die Ritter ein Schild mit einem Augen-Symbol auf ihn richten, rührt er
sich nicht aus seiner sicheren Ecke, denn dieses Symbol macht ihm Angst. In
solchen Fällen ist Trico auf den Spieler angewiesen, da nur er sich an die
Ritter heranwagen und umschubsen kann, damit die Wache das Schild verliert und
Trico zur Tat schreiten kann.
Bei den Rätseln
handelt es sich in der Regel um Schalterrätsel. Das Spiel stellt den Spieler
dabei in eine Situation, in der einer der beiden Charaktere, in der Regel
Trico, nicht weiterkommt und man einen Weg finden muss, um das zu ändern. Auch
hier ist wieder das Zusammenspiel von Trico und dem Spieler gefragt, denn des
Öfteren muss man Trico Kommandos geben, damit man auf ihn klettern und so höher
gelegene Plattformen erreichen kann. Über einige Gänge, die dem Spieler vor
weitere, kleinere Kletter- oder Rätseleinlagen stellt, kommt man so an einen
Schalter, womit man ein Tor öffnet oder einen Mechanismus auslöst, wodurch auch
Trico den nächsten Spielabschnitt erreichen kann. Gelegentlich muss man für
Trico auch Objekte mit dem Augen-Symbol aus dem Weg räumen, da das Tier sich
nicht traut, an diesen vorbei zu laufen. Häufig muss man sich allerdings auch
nur seine Fähigkeiten/Eigenschaften zu Nutze machen um weiter zu kommen.
Ein Beispiel dafür ist
Tricos Fähigkeit aus seinem Schwanz einen Laserstrahl abfeuern zu können. Mit
diesem kann man Geröll zerstören, welches den Weg blockiert. Um den Laserstrahl
abfeuern zu können, braucht man jedoch eine Art Schild, mit dem man die Stelle
markieren kann, auf die Trico schießen soll. Auch wenn ich es ein bisschen unpassend
finde, dass eine Kreatur quasi wie aus dem nichts einen Laserstrahl abfeuern
kann, ist es dennoch ein ganz unterhaltsames Feature, welches allerdings im
Spiel kaum beachtet wird. Das für den Laserstrahl benötigte Schild verliert man
schon nach kurzer Zeit wieder und erst am Ende des Spiels bekommt man es
zurück. Nicht gerade die feine Art mit einem Gameplay-Element umzugehen, aber
naja… im Großen und Ganzen passt alles zusammen.
Dieses
gegenseitige unterstützen ist der nächste Punkte, der mich sehr an ICO erinnert. Dort musste man in der
Rolle des Protagonisten Ico die zierliche Yorda davor bewahren, von
Schattenmonstern entführt zu werden. Im Gegenzug öffnet Yorda dafür Wege, damit
man im Spiel voranschreiten kann. Dieses Prinzip wendet auch The Last Guardian an, nur ist dieses Mal
der Spieler das schwächere Glied, welches beschützt werden muss, dafür jedoch
seinen Begleiter beiseite steht, um ihn das Weiterkommen zu ermöglichen. Der
Effekt ist aber derselbe. Man hat unglaublich schnell eine Beziehung zu Trico
aufgebaut. Man vertraut dem Tier und es wird einem wichtig, dass man bei ihm
sein kann. Auch wenn ICO meiner
Meinung nach dieses Gefühl der gegenseitigen Fürsorge und der Sympathie
gegenüber zwei Protagonisten noch besser hingekriegt hat, macht The Last Guardian trotzdem einen guten
Job und ist somit das erste Spiel für mich, welches es schafft, ein ähnliches
Spielgefühl wie das grandiose erste Team Ico-Meisterwerk zu erschaffen. Das ist
etwas, was noch kein anderes Spiel geschafft hat, nicht mal Shadow of the Colossus.
Technik:
Die Technik ist die
größte Schwäche des Spiels, denn hier gibt es leider nicht viel positives zu
berichten. Was vorweg schon mal ganz gut ist, sind die Animationen. Besonders
Trico wirkt, obwohl es ein Fantasiewesen ist, sehr natürlich und lebensecht und
die Animationen leisten einen großen Beitrag dazu. Ebenso hat mir die Musik
gefallen. Zwar gibt es wie in ICO
wieder nur wenige Lieder, die während des Spiels zu hören sind, diese klingen
dafür jedoch richtig gut. Genauso ist es mit den Soundeffekten. Alles
klingt natürlich, vertraut und so, wie man das erwartet. Positiv hervorzuheben sollte man auch, dass The Last Guardian komplett frei von irgendwelchen Bugs,
Glitches oder Clipping-Fehlern ist. In Zeiten von Spielen, die nach Jahren immer
noch total verbugt sind und Day-One-Patches in Gigabyte-Größe existieren, ist
sowas schon eine kleine Besonderheit. Das Spiel kam zwar ebenfalls nicht
ohne einen Day-One-Patch aus, dieser hat aber zumindest seinen Zweck
erfüllt.
Allerdings weist das
Spiel an vielen anderen Punkten echte Macken auf. Fangen wir an mit der Grafik.
Die ist trotz eines sehr schönen Art Styles leider schon komplett veraltet. Die
Texturen sind sehr unscharf und vor allem menschliche Charaktere sind recht
detailarm. Man merkt einfach, dass dieses Spiel ursprünglich mal für die PS3
erscheinen sollte. Was ebenfalls sehr stört ist die Framerate. Auf einer
normalen PS4 geht die Framerate gerne mal gehörig in den Keller. Die PS4 Pro
soll bei 1080p diese Probleme zwar nicht haben, anders sieht es dann aber
wieder aus, wenn man das Spiel in 4k spielen will, denn dann kehren auch die
Framerate-Probleme zurück. Ein bisschen störrisch ist auch die KI von Trico.
Auch wenn es von den Entwicklern so gewollt ist, dass Trico seinen eigenen Kopf
hat, ist es manchmal echt schwierig das Tier das machen zu lassen, was man von
ihm erwartet. Teilweise ignoriert es auch einfach die Anweisungen vom Spieler.
Das kann einen auf Dauer zur Weißglut treiben, doch die KI ist nicht mal die
schlimmste Macke. Dieser Preis geht eindeutig an die Steuerung und die
Kameraführung. Zunächst einmal muss man sich an das sehr ungewöhnliche
Button-Layout gewöhnen und selbst wenn man das geschafft hat, bleibt sie immer
noch sehr hakelig. Noch schlimmer ist die Kamera. Besonders in engen Räumen
macht die gerne Mal was sie will und fühlt sich auch im restlichen Spiel sehr
träge an. Mir persönlich hat es geholfen die Kameraempfindlichkeit auf das
höchste Niveau hochzudrehen, wodurch die Kamerabewegungen schneller werden. Das
ist allerdings auch nicht die optimalste Lösung, da man die Probleme leider
trotzdem nicht ganz loswird.
Präsentation:
Besonders bei der
Atmosphäre zeigt The Last Guardian,
dass es ein Spiel von Team Ico ist, denn gerade hier werden die Ähnlichkeiten
zu ICO deutlich. Das geht schon los,
wie das Spiel Umgebungen präsentiert. Außenareale wirken durch natürliche
Geräusche wie das Pfeifen des Windes, das Rauschen eines Wasserfalls im
Hintergrund, Vogelzwitschern oder ähnlichem sehr natürlich. Innerhalb von
Gebäuden verändert sich die Atmosphäre jedoch stark und wird sehr beklommen,
was durch die rauen Schrittgeräusche seitens des Jungen und Trico untermalt
wird. Derselbe Ansatz wurde bereits in ICO
verwendet und was damals schon geklappt hat, klappt auch heute noch. Die
Außenareale wirken durch ihre natürliche und vertraute Stimmung sehr
freundlich, wären die dunklen Innenareale zwischen sehr mysteriös und
beklemmlich schwanken.
Am beeindruckendsten
ist aber natürlich die Beziehung zwischen dem Jungen (dem Spieler) und Trico. Ein
wichtiger Schritt um diese aufzubauen wird bereits am Anfang des Spiels
getätigt. Zunächst ist Trico dem Spieler feindlich gesinnt, doch sobald man anfängt,
freundlich zu dem Tier zu sein, beginnt auch Trico darauf zu reagieren und sich
dem Jungen (also dem Spieler) gegenüber freundlich zu verhalten. Das ist auch
der Grund, warum man zunächst damit beschäftigt ist, Tricos Wunden zu heilen
und ihm etwas zu fressen zu geben. Die Entwickler haben hier einen natürlichen
Aufbau einer Freundschaft dargestellt, weshalb sich die Verbundenheit der
beiden auch nicht aufgesetzt oder unrealistisch anfühlt. Sie ist das Produkt
einer natürlichen Entwicklung. Obendrein kommt natürlich Tricos Verhalten. Er
ist verspielt, neugierig und kann zu einem Leckerlie nicht nein sagen. Genauso
hat er aber auch Ängste und kann wütend bzw. gereizt werden, zeigt wiederum
aber auch Freude, wenn der Spieler in der Nähe ist. Kurzum, Trico hat und zeigt
Gefühle. Daher fällt es auch dem Spieler leicht, Vertrauen zu ihm zu gewinnen.
Er verhält sich wie man es von einem Haustier gewohnt ist. Und wie für ein
Haustier ist es auch dem Spieler wichtig, dass es Trico gut geht. Ein gutes
Beispiel dafür sind die Fässer, mit denen man ihn füttert.
Abgesehen von einigen
Stellen im Spiel, wo Trico zwingend Futter braucht, ist es nicht Pflicht, ihn
zu füttern. Trotzdem tut man es, weil man weiß, dass die Fässer etwas
beinhalten, was ihm schmeckt und womit er sich wohl fühlt. Die Fässer sind
regelrecht ein Indikator dafür, wie stark die Verbundenheit zwischen dem
Spieler und Trico ist. Es gibt so einige Fässer im Spiel, die schwer zu
erreichen sind. Trotzdem will man diese eigentlich unnötige Hürde auf sich
nehmen, damit man Trico etwas Gutes tun kann. Dass The Last Guardian es schafft so eine tiefe Verbundenheit zu einem
Wesen aufzubauen, ist sehr beeindruckend und einer der Hauptgründe, warum man
das Spiel so sehr genießen kann.
Fazit:
Ich weiß, ich habe
hier jetzt viele Vergleiche mit ICO
angestellt, aber das Spiel hat mich nun mal sehr an den Klassiker erinnert. Wie
man aber gesehen hat muss das auch nichts Schlechtes sein, denn The Last Guardian ist zu einem der
besten Spiele dieses Jahres geworden. Auch wenn die technischen Macken echt
nerven können, überwiegen die tolle Atmosphäre und das grandiose Zusammenspiel
zwischen Trico und dem Jungen so stark, dass man trotzdem ein fantastisches
Spielerlebnis erfährt. Somit bewahrt sich bei The Last Guardian das alte Sprichwort „Was lange währt, wird
endlich gut.“
Ich vergebe 8,5/10 Punkten an The Last Guardian.